Gemeinderat soll «liifere, nid lafere»

Volksstimme – Di, 25. Juni 2019

Christian Horisberger

«Begegnungs AG» lüftet den Schleier und lanciert eine Petition
Die Köpfe hinter der «Begegnungs AG» haben sich in ihrer dritten Aktion zu erkennen gegeben. In einer Petition fordern sie den Gemeinderat auf, die Begegnungszone «endlich» zugunsten der Fussgänger zu verbessern.

«Hat es noch grüne Aufkleber?» Die Frage war bezeichnend für die Standaktion am Samstag in der Begegnungszone. Grüne Aufkleber waren Mangelware, weil Grün für «ja, es muss sich was ändern» stand. Rot wurde dort fleissig aufgeklebt, wo es um die Fussgängersicherheit ging: Nein, als Fussgänger kann man sich in der Begegnungszone nicht frei und gefahrlos bewegen.

Nach zwei anonymen Aktionen am Tag des Sissacher Sonntagsverkaufs im Dezember (abgesperrter und als «begegnungsfreie Zone» bezeichneter Bereich) und im Februar (Kreideblumen in der Begegnungszone), liessen die Aktivisten der «Begegnungs AG» (BAG) nun wie angekündigt ihre Masken fallen. Hinter der ominösen AG stecken SP-Landrat Stefan Zemp, Ruedi Epple, Pascal Gysin, David Fogetta, Pierre Fitzé, Pascal Halbeisen, Oliver Biedert und Ruedi Scheibler. Einige von ihnen streiften sich am Samstag gelbe Leuchtwesten über, setzten Strohhüte auf und besetzten in der Begegnungszone zwei Parkfelder: Auf einen Parkplatz stellten sie einen Baum im Topf – ordnungsgemäss ausgestattet mit einer Parkscheibe. Auf dem zweiten bauten sie Plakatwände auf mit Aussagen zu den Themenkreisen Verkehr, Signalisation und Sicherheit, Gestaltung und Nutzung sowie zum Parkieren. Passanten sollten die Plakate bekleben: Grün für Ja, Rot für Nein.

Am Aktionstag wurde nicht nur geklebt, sondern auch diskutiert. Wobei auch in den Gesprächen meistens Konsens zwischen Fragenden und Befragten herrschte: «Es hat zu viel Verkehr und zu viele parkierte Autos in der Begegnungszone. Als Fussgänger wird man an den Rand gedrückt», brachte BAG-Sprecher Oliver Biedert das Empfinden der Menschen, mit denen er sprach, auf den Punkt. Es werde ein Ausgleich zwischen Autos und Fussgängern gewünscht.

Gleichgewicht schaffen
In ihrer Fragestellung hat die Aktionsgruppe darauf verzichtet, radikale Forderungen zu stellen. Ein Aussperren des motorisierten Verkehrs oder ein Zusammenstreichen der Parkplätze sei für die BAG kein Thema, betonte Scheibler. Man wisse um die Bedeutung der Zufahrtsmöglichkeit für das Gewerbe, das einen massgebenden Teil zur Belebung des Dorfzentrums beitrage. «Es geht uns nicht um den Kampf Auto gegen Fussgänger, sondern um ein Gleichgewicht.» Die Gruppe sei auch nicht kategorisch gegen das Parkieren in der Begegnungszone, aber weniger Parkplätze, allenfalls anders angeordnet, wären wünschenswert. Einige der Befragten waren nicht so sehr auf Konsens getrimmt wie die BAG-Leute: Auf dem Plakat für freie Frust- und Wunschäusserungen wurde mehrfach ein autofreies Dorfzentrum gefordert.

Gleichzeitig mit der Standaktion lancierten die Mitglieder der BAG eine Petition: Darin wird der Gemeinderat aufgefordert, nach zehnjährigem Nichtstun in der Begegnungszone – trotz anhaltender Kritik – endlich zu «liifere, nid laafere». Man habe das Warten satt. Konkret fordern die Unterzeichnenden «eine attraktive Begegnungszone, die ihren Namen verdient und Raum für Begegnungen bietet». Nach über zehn Jahren Diskussionen seien «endlich konkrete Verbesserungen umzusetzen». Während der vierstündigen Standaktion unterzeichneten 120 Personen die Petition. Die BAG will die Unterschriftenbögen noch einige Wochen kursieren lassen und die Bittschrift dann dem Gemeinderat übergeben. Eine weitere öffentliche Aktion sei nicht vorgesehen.

Nachhaken statt versanden lassen
Die Forderung nach einer Begegnungszone mit einer höheren Aufenthaltsqualität für Fussgänger ist nicht neu. Sie war zuletzt im Herbst 2018 – zehn Jahre nach der Eröffnung der Begegnungszone – an einem Workshop der SP Sissach zum Ausdruck gebracht worden. Der Gemeinderat hat die Anregungen aus jener Veranstaltung aufgenommen und einen Kredit über mehr als 10 000 Franken bewilligt, um von der Organisation Fussverkehr Schweiz Optimierungsvorschläge erarbeiten zu lassen.

Wofür also die «Begegnungs AG» noch? Weshalb die Aufkleber-Aktion? Wofür die Petition? Scheibler: «Es ist ein Erfolg, dass der Gemeinderat aktiv geworden ist. Mit der Petition möchten wir sicherstellen, dass das Ganze nicht versandet.»

Gemeinderat soll «liifere, nid lafere»