Volksstimme – Fr, 25. Februar 2022

vs. Die «Begegnungs AG» (BAG) will mehr Aufenthaltsqualität in die Sissacher Begegnungszone bringen. Sie hat Landschaftsarchitektur-Studierende eingeladen, Ideen für die Aufwertung des «Strichcodes» zu entwickeln. Gestern erfolgte der Startschuss: Vertreter der BAG (im Bild Ruedi Scheibler), von Gemeinde und Gewerbe führten die Studentinnen und Studenten durchs Zentrum und zeigten die Problemstellungen und Konflikte aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse der Nutzer auf. Die Aufgabe wird als komplex und herausfordernd beurteilt.
Studenten sollen «Strichcode» schön machen
Christian Horisberger
«Begegnungs AG» holt Unterstützung bei Fachhochschule
Angehende Landschaftsarchitektinnen und -architekten sollen sich ihre Köpfe über eine Aufwertung der Begegnungszone zerbrechen. Gestern machten sich die Studierenden der Fachhochschule Ost in Rapperswil auf Einladung der «Begegnungs AG» ein Bild vom Ist-Zustand.
Zwei junge Männer überqueren vor dem «Cheesmeyer» achtlos die Strasse. Plötzlich hupt ein Autofahrer – die beiden Männer fluchen lautstark und verwerfen die Hände. Etwa 60 Personen am Rand der Begegnungszone sind Zeugen des Rencontres, die meisten von ihnen können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. «Sie erleben die Begegnungszone gerade hautnah», kommentiert Stefan Zemp, der bei seinen Ausführungen über den Wert des Sissacher Zentrums für Kultur und Begegnung unterbrochen worden ist.
Diese Szene spielte sich gestern Vormittag ab. Die Gruppe, an die sich Zemp wandte, bestand hauptsächlich aus Landschaftsarchitektur-Studierenden der Fachhochschule Ost in Rapperswil. Die «Begegnungs AG» (BAG), die sich für eine höhere Aufenthaltsqualität im Sissacher Ortszentrum starkmacht, hatte sie eingeladen, Ideen für eine Aufwertung des «Strichcodes» zu entwickeln. Der Augenschein soll ihnen neben Unterlagen wie dem Sissacher Raumkonzept als Grundlage für die Aufgabe dienen.
Zweistündige Führung
Stefan Zemp hatte die angehenden Landschaftsarchitektinnen und -architekten im Namen der «Begegnungs AG» begrüsst und sie während zweier Stunden durch die Begegnungszone geführt. Er, mehrere Mitglieder der AG, Gewerbe-Präsidentin Christine Tschan, Ladeninhaber Andreas Müller (Muff Haushalt) und Gemeindepräsident Peter Buser lieferten Informationen zur Geschichte des «Strichcodes», zur Verkehrsführung und -hierarchie im Zentrum, zur Nutzung, Architektur, zu den Grundeigentumsverhältnissen sowie zur Bedeutung der Parkplätze fürs Gewerbe und das Kundenverhalten.
Eine Reihe Studierender nutzte die Gelegenheit, Fragen zu stellen: Weshalb hat es kaum Bäume in der Begegnungszone? Wie viele Meter sind die Kunden bereit, vom Auto bis zum Laden zu Fuss zurückzulegen? Was hat es mit den roten Flächen am Boden auf sich? Wie unterscheidet man zwischen Privatgrund und Allmend? Die allererste Frage lautete: Warum müssen die Autos durch die Begegnungszone fahren können?
Win-win-Situation
Der Sissacher «Auftrag» ist eine Win-win-Situation: Dozent Hansjörg Gadient findet die Aufgabe für seine 41 Studierenden deshalb interessant, weil sie nicht nur realitätsnah, sondern durch die unterschiedlichen Interessen, die aufeinanderprallen, auch sehr komplex sei. «Das ist eine tolle Gelegenheit für uns.» Positiv überrascht zeigte er sich, dass sich Vertreter aller Interessengruppen den Studierenden zur Verfügung stellten: «Sogar der Gemeindepräsident ist gekommen, das habe ich noch nie erlebt.»
Aufgabe der Studierenden ist es, zunächst ein Grundkonzept für den Raum zu erstellen und in einer zweiten Phase ins Detail zu gehen und Elemente wie Bepflanzung oder Beleuchtung zu erarbeiten. Die Ergebnisse will die BAG im Sommer bei einem öffentlichen Event präsentieren.
Beim Augenschein legte Peter Buser mehrmals die Stirn in Falten. Immer dann, wenn Vertreter der BAG nicht nur Grundlageninformationen lieferten, sondern die Lösungsvorschläge gleich mit dazu. Tatsächlich machte Stefan Zemp mit einigen spitzen Kommentaren aus seinem Herzen keine Mördergrube, und auch zum Parkregime wurden konkret Alternativen genannt. Dennoch ist der Gemeindepräsident gespannt auf die Ergebnisse, da nun «viele Köpfe mitdenken». Umgepflügt werde die Begegnungszone hinterher jedoch nicht, mutmasste er, punktuelle Veränderungen hingegen lägen drin. Zu diesem Schluss seien auch einige Studenten gekommen, mit denen er gesprochen habe: Wenn der Verkehr in der Begegnungszone bleiben soll, seien die Gestaltungsmöglichkeiten gering. Vielleicht aber doch gross genug, damit in Zukunft nicht mehr – oder nicht mehr so oft – gehupt und geflucht wird.
NACHGEFRAGT

«Mit Pflanzen gestalten, anstatt mit Beton»
Frau Eigenheer, wie hat die Begegnungszone auf Sie gewirkt?
Elena Eigenheer: Ich hatte mich vor dem Besuch in Sissach bereits mit der Historie der Begegnungszone befasst, das Raumentwicklungskonzept angeschaut, und ich kannte die Problematik mit den Autos und Parkplätzen. Aufgefallen sind mir die Mischung zwischen alten und neuen Gebäuden, die optische Gestaltung des «Strichcodes», auch die rot eingefärbten Zonen. Einen negativen Eindruck haben bei mir die vielen Autos und Parkfelder hinterlassen.
Was erachten Sie als die grösste Herausforderung bei der Aufgabe?
Ich finde es wichtig, dass es ein gutes Einvernehmen und Rücksichtnahme zwischen Autos und Fussgängern gibt. Hier sehe ich eine grosse Problematik.
Haben Sie bereits Ideen, wie das Miteinander verbessert werden könnte?
Tafeln und Zeichen bringen wenig. Stattdessen sollten die Benutzer durch gestalterische Massnahmen zur Rücksichtnahme gepusht werden: Bepflanzungen oder Verengungen, bei denen man stoppen oder besonders vorsichtig sein muss. Mit einer Einbahnstrasse liesse sich das Verkehrsaufkommen reduzieren. Eine teilweise Entsiegelung des Bodens könnte ich mir auch vorstellen.
Auch die Pflanzung von Bäumen?
Ich studiere Landschaftsarchitektur! Das Hauptmerkmal sollte sein, dass der Bereich anstatt mit Beton mit Pflanzen und anderen Mitteln, die nicht viele Ressourcen verbrauchen, gestaltet wird.