Störmanöver für die Begegnungszone

Volksstimme – Fr, 28. Dezember 2018

Christian Horisberger

Mit der Installation einer «begegnungsfreien Zone» will eine Gruppe Unbekannter eine breite Diskussion um die Qualität der Sissacher Begegnungszone anstossen – und verärgert damit erst einmal das Gewerbe.

Der 23. Dezember war der höchste Feiertag für das Sissacher Ladengewerbe: Die Lädeler putzten sich für ihren Weihnachtsverkauf heraus, Iiessen sich für ihre Kundinnen und Kunden etwas Besonderes einfallen. Nicht nur sie. Noch vor Tagesanbruch sperrten Unbekannte vor dem Kleiderladen N&N Mode mit Bauabschrankungen einen rund 40 Quadratmetergrossen Bereich in der Begegnungszone ab. Innerhalb dieser «Sperrzone» befand sich neben einem Baum nur freier Strassenraum. Das Bekennerschreiben hatten die Urheber der Guerilla-Aktion in Form eines rosaroten Plakats hinterlassen: «Ich bin eine begegnungsfreie Zone», stand da mit weisser Schrift. Absender: Die «Begegnungs AG».

Björn Fankhauser, Präsident des Gewerbevereins, hat die unbewilligte Installation am Sonntagmorgen mit dem Handy geknipst, ehe er das Material wegschaffen liess – lange vor dem offiziellen Beginn des Sonntagsverkaufs.«Wir fanden es gar nicht toll,dass der Sonntagsverkauf ohne Rücksprache mit dem Gewerbeverein als Plattform für eine solche Aktion genutzt worden ist», sagt er auf Anfrage. Dies nicht zuletzt, da der Gewerbeverein auch den Parteien untersagt habe, den Anlass für politische Aktionen zu nutzen.

Begegnungszone entwickeln
Mit dieser Reaktion hatten die «Guerilleros», die sich gegenüber der «Volksstimme» zu erkennen geben, aber zumindest vorerst auf Anonymität pochen, gerechnet.«Wir wären überrascht gewesen, wenn der Gewerbeverein die Sperrzone hätte stehen lassen», sagt einer der Drahtzieher der Nacht-und-Nebel-Aktion schelmisch lächelnd.

Ein Dutzend Köpfe stecke hinter der «AG», mit unterschiedlicher beruflicher Herkunft, politisch unabhängig. Ihre Absicht: Die Begegnungszone nach zehnjährigem Diskutieren und Nichtstun endlich ein Stück weiter zu bringen -zusammen mit den Menschen, die sie benützen. Man wolle die Bevölkerung zum Nachdenken bewegen. Darüber, was die Zone ihnen bietet, ob sie hält,was ihr Name verspricht und wie sie sich aufwerten lässt.

Die SP hat das zehnjährige Bestehen der Begegnungszone im Herbst zum Anlass genommen, vertieft über die bisher ungenutzten Möglichkeiten zu diskutieren (die «Volksstimme» berichtete). Die «Begegnungs AG» verfolgt dieselbe Stossrichtung. Nur dass sie nicht hinter verschlossenen Türen
Konzepte erdenkt, sondern die Benützer direkt mobilisieren will. «Wir wollen Begeisterung für Begegnung in der Begegnungszone wecken.» Die Guerilla-Aktion solle die Diskussion ankurbeln, die Zone zum Dorfgespräch machen. Eine Veränderung soll von unten her ausgelöst werden.

Das war der 400 Meter lange Strassenabschnitt vom «Löwen» bis zur «Volksstimme» schon oft. Fast immer ging es dabei um den Verkehr:um zu viele Autos, zu schnell fahrende Autos, um zu viele Parkplätze, die permanent belegt sind, um Parkplatz-Suchverkehr. Die Gewerbetreibenden sprechen in diesem Zusammenhang von ihrem Lebenselixier, die Kritiker von einer Gefahr für Fussgänger und einer Beleidigung fürs Auge. Die Fronten sind hart wie Beton.

Keine Aktion gegen Parkplätze
«Wir wollen keine Fundamentaldebatte über Parkplätze und Verkehr führen», sagt einer der «Verwaltungsräte» der «Begegnungs AG». Es sei nicht ihre Absicht, gegen Autos und Parkplätze vorzugehen, sondern eine positive Stimmung für das Zentrum Sissachs zu entwickeln;Wünsche und Ideen zutage zu fördern, wie die Situation verbessert werden könnte. Und die Menschen dazu zu animieren, sich einzubringen – ob mit weiteren Veranstaltungen und Aktivitäten im Ortszentrum oder mit konkreten Vorschlägen, mit denen für sie die Aufenthaltsqualität verbessert werden könnte. Erst dann solle darüber diskutiert werden, welche Anpassung der Zone und der Reglemente es braucht, um dies zu ermöglichen. Griffige Massnahmen müssten weder gross noch teuer sein.

Dem verschliesst sich der Gewerbeverein nicht. «Wir sind zwar glücklich mit der Begegnungszone, so, wie sie ist»,sagt Präsident Fankhauser. Aber man registriere eine gewisse Unzufriedenheitvonseiten der Bevölkerung. Das Gewerbe wehre sich nicht dagegen,dass etwas verändert wird, sagt Fankhauser, «sofern es gewerbeverträglich ist». Mit anderen Worten: Ein Parkplatzabbau kommt für Fankhauser nicht infrage. «Die Parkplätze sind für uns lebensnotwendig – und wenn die Läden sterben, ist auch die Begegnungszone tot.» Vorstellen könnte er sich stattdessen ein Parkleitsystem: «Am
Samstag hat es im Coop-Parking immer freie Plätze.» Oder kleine Ruhe-Oasen mit Bänkli und Schatten spendenden Bäumen. Dafür wäre Fankhauser sogar bereit, einzelne Parkplätze zu opfern. «Wir sind für Veränderungen, aber in verträglichem Mass.»

Das dürften die «Guerilleros» von der «Begegnungs AG» gerne hören. Und man darf auf ihre nächste Überraschung im Januar gespannt sein, ehe sie bei ihrem dritten Auftritt die Masken fallen lassen. Mit dem Erzeugen von Spannung und Neugier hofft die Gruppe, die Begegnungszone zum Dorfgespräch zu machen, um dann mit vereinten Kräften eine Aufwertung zu bewirken.

Störmanöver für die Begegnungszone